Der Zauberer und die Hexe Grantelfix


Vom hohen Berg im Zoltangebirge, gleich hinter den „Zehn-Hexen-Bergen“, schaut mit finsterer Miene ein Mann herunter, der Zauberer Huxelbuxel. An der Spitztüte auf seinem Zaubererhaupt kann ihn jeder sofort erkennen. Er gibt sich auch keine Mühe, sich zu verstecken. „Imposant, imposant, im ganzen Land bekannt“, murmelt er leise vor sich hin. Zu seinen Füßen kräuselt sich der Saum des schwarzen Mantel, der lose um die Schultern hängt. Sein Schatten ist noch schwärzer als seine Seele. Selbst die Dunkelheit des angrenzenden Waldes wirkt verhältnismäßig hell, obwohl man die Hand bald nicht vor Augen sieht. So dunkel ist es dort.

Manchmal fällt ein Sonnenstrahl durch die Tannen. Aber sofort erscheint der Zauberer Huxelbuxel und stellt sich for die helle Schwachstelle, breitet seinen Mantel aus und es ist vorbei mit dem Sonnenstrahl im Wald. Er verträgt es einfach nicht, wenn angenehmes Licht auf die Zweige und den Waldboden fällt, wenn sich die Vögel auf die Äste setzen und vor Freude ihre Lieder singen. Er wedelt dabei heftig mit dem offenen Mantel, dass es nur so knattert. Die Augen treten aus den Augenhöhlen, um alle Blitze auf eventuelle Waldbesucher loszulassen, während sein mit Teer geschwärzter Schnurrbart, ein verkorkster Backenbart mit stumpfen Spitzen zu irren Schillerlocken gedreht, nach verbranntem Gummi riecht. Ohne Grund tut er dies nicht.

Eines Tages kam nämlich auf diesem Sonnenstrahl die Fee Heliola eingeflogen. Sie ist die gute Fee. Sie kümmert sich um krankt Tiere, verletzte Menschen, die auf ihren Wanderwegen ausgerutscht sind,, sich beide Beide und alle Arme gebrochen haben. Wie von Geisterhand fallen Menschen in Erdlöcher, von den Felsen und über dicke Baumwurzel, als ob die Wanderer keine Augen im Kopf hätten, als ob sie einen gehörigen Schubs von hinten oder von oben bekommen.

In Wirklichkeit sollte nicht Heliola, sonder die böse Hexe Grantelfix erscheinen. Mit ihr wollte Huxelbuxel ganz frische Untaten aushecken und ausprobieren.

Heute wartet er wieder auf Grantelfix. Sie will ihren hexenartigen Foltertrick vorführen. Sie kommt! Von weitem sieht man ihr die bösen Absichten an. Ein hinterhältiges Knurren und Quietschen dringt aus allen Poren. Grantelfix kann nicht einmal schwitzen wie normale Menschen oder Hexen. Ihr Schweiß tönt hässlich durchs Tal und durch den Wald. Einerseits ist es ja gut, wenn man weiß wo sie sich aufhält. Aber sie schwitzt nicht dann, wenn man es gerade hören möchte. Gerade darum bemüht sich die böse Hexe, ganz cool zu bleiben. Umso böser wird sie dann.

Huxelbuxel und Grantelfix laufen in den Wald. Die böse Hexe schaut nach oben. Sie sucht einen Ast, mehrere Äste. Davon gibt es genug. Auf dem Waldweg rechts und links stehen Bäume mit solchen Ästen. Ihr böser Blick trifft eine gute Wahl. Jetzt nimmt sie die mitgebrachten Seile und spannt sie so geschickt von einer Seite zu anderen, dass niemand etwas ahnt. Und warum nicht? Weil sie die außerdem verhext. Die Seile sind praktisch überhaupt nicht zu sehen für Wanderer, Tiere und sonstige Besucher des Waldes, auch nicht für das geliebte Rehlein! Ahnungslos sollen sie sich darin verfangen, ersticken, verhungern, von Wölfen und Bären gefressen werden. Bei lebendigem Leib. Huxelbuxel ist begeistert und ruft: „Grantelfix, du bist meine Traumfrau. Ich möchte dich heiraten, weil du auch so herrlich hässlich bist. Lass uns heiraten! Einen Termin hätte ich schon.“

Da wird Grantelfix stinksauer. „So einen blöden Kerl soll ich heiraten, der so hässlich aussieht. Nicht einmal eine Warze besitzt dieser Möchtegern-Zauberer. Ich darf sowieso immer die ganze Arbeit allein machen“. Sie grunzt durch alle Poren, fragt aber eben, was er sich für einen Termin ausgedacht: „So, du Nichtsnutz von Zauberer, so hast du dir das gedacht. Da musst du dir aber schon etwas Besonderes ausdenken, um mich vor den „Trau-dich-nicht-Felsen“ zu bekommen!“

„Grässliche Hexe, ich werde deine knöchrigen Finger umschlingen, dir den Hals fast umdrehen, wenn aus deinen Fallen das jämmerlichste und schmerzlichste Schreien dringt, das ich je gehört habe. Du wirst zu diesen Klängen mit mir schwelgen von gerösteten, am Spieß gebratenen kleinen Schweinen, von denen zu glaubst, dass deren nach oben verdrehte Augen uns zuzwinkern, ein herrlich übler Scherz. Von den gebrochenen Haxen wird uns das Fett aus dem Mund tropfen. Nur ich allein werden von dem Ringelschwänzchen kosten. Wenn ich es nicht mag, kannst du es kriegen. Glaube mir, alte Hexe, das wird hexistisch gut.“ „Klingt irgendwie gut“, denkt Grantelfix, „aber das Ringelschwänzchen schnappe ich mir und wenn ich ihm die Finger abhacken muss. Eine kleine Axt versteckt sich in meiner linken Rocktasche.“

Gerade will Grantelfix ihr angebliches Jawort geben, da fällt ihr ein, dass heute die Prinzessin Elfchen heiraten wird. Sie ist so schön, dass der Zauberer Huxelbuxel ein hässliches Auge auf sie geworfen hat. Elfchen will den wunderschönen Prinzen Fingerhut zum Mann nehmen. Mit ihm soll ihr Leben immer nur schön sein. Daraus kann leider nichts werden, weil die alte Hexe Grantelfix sich vorgenommen hat, immer nur Unfrieden zu stiften. Sie will sofort damit beginnen. Huxelbuxel wird eingeweiht, ist aber nicht so sehr interessiert wie Grantelfix. Schließlich lässt er sich breitschlagen.

Um elf Uhr soll die Hochzeit in der Kirche beginnen, dafür müssen sie alle durch den dunklen Wald laufen. Sämtliche Elfen, die Namensgeberinnen der Prinzessin, und die Kobolde des Waldes sorgen für helles Licht auf dunklem Weg. Ein tollpatschiges Einhorn lässt sich sogar eine Laterne ans Einhorn binden. Die ganze Schar liebt die herzensgute Prinzessin. Im Winter streut sie Körner und sorgt für frisches Stroh. Im Sommer stellt sie Wassertränken in den Wald. Die Vögel und selbst Schnecken kommen sehr gern vorbei und machen sich ein wenig frisch, ein Tröpfchen für ihre Kehlen fällt immer ab.

Die vielen Gäste versperren dann aber den Weg zur Kirche, dass wir nicht mehr erleben, ob die Prinzessin überhaupt zum Heiraten gekommen ist.

Grantelfix und Huxelbuxel wollen noch schnell Fallen für die vielen Gäste aufstellen. Für die Braut die Falle hängt ja schon. Sie müssen sich beeilen. In einer halben Stunde beginnt der Hochzeitsmarsch durch den Wald. „Das habe ich heute Morgen im „Hexen-Extrablatt“ gelesen, was bin ich doch für eine vergessliche Person.“ Sie schaffen zehn Fallen. Das muss reichen.

Schon von weitem sehen die Rehe, Hasen, Wildschweine und all die anderen Waldtiere die Hochzeitsgesellschaft kommen. Vorne die Braut mit der langen Schleppe. An ihrer Seite der Bräutigam, dahinter die edlen Ritter, danach Prinzessinen und Prinzen, Brautjungfern, die ganze erlauchte Verwandtschaft. Ganz vorne reitet ein stolzer Fürst. Es ist Fürst Geraldin, der mit den besten Augen. Er sieht alles und ahnt manches dazu. Er ist fast wie ein Orakel. Ein Orakel weiß alles.

Nicht umsonst ist er ausgewählt worden. Das stellt sich heute als richtig heraus. Er hört nämlich auch noch gut. Als sie gerade in den Wald einbiegen wollen, hört Fürst Geraldin den Eichelhäher rufen. Der Vogel wird „Polizist des Waldes“ genannt, weil er alle Tiere vor Gefahren warnt. Vor Nesträubern, Räubern, die kleine Schweinchen fressen, Singvögel fangen und verschlingen. Ich mag gar nicht weiter denken. Doch jetzt ruft er höchst seltsam, als wenn er sprechen will. Das kann nur den Menschen gelten. Also passt der schlaue Fürst besonders gut auf.

Und richtig! Er sieht die langen Seile von den Bäumen hängen und ahnt Schreckliches. Mit kurzem Befehl schickt er zwei Ritter voraus, die die Seile abnehmen sollen. Die Ritter preschen vor und reißen die Seile im Nu herunter. Die Hochzeitsgesellschaft ist so glücklich darüber, dass sie jetzt schon anfängt zu tanzen, zu lachen, zu weinen vor Glück. Wie groß das Glück aber in Wirklichkeit ist, können sie gar nicht wissen. Denn die Hexe Grantelfix vergaß in ihrer Bosheit, die Seile unsichtbar zu hexen. Nur knapp sind sie einem schrecklichen Tod entronnen.

Elfchen und Fingerhut haben geheiratet, gesehen wurden sie vor lauter glücklichen Gästen nicht mehr.

Nun will Huxelbuxel die Hexe nicht mehr heiraten, weil sie der Prinzessin ans Leben trachtet. Alle anderen können dort gut hängen, aber nicht die Prinzessin.

Vor Wut stampft Grantelfix mit ihren Hexenbeinen auf den Waldboden, dass es nur so donnert. Die Gäste spannen vor Schreck ihre Schirme auf und wundern sich, es scheint die Sonne und keine einzige Wolke hängt am Himmel.

Wochenlang spricht sie kein Wort mit Huxelbuxel und heiraten will sie ihn auch nicht mehr, diesen Verräter. Basta! Beinahe wäre sie seine Hexenfrau geworden.

Tzz… Vielleicht später irgendwann.

 

© Margit Farwig


 
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