Sie möchten mehr über die literarische Biographie Magret Farwigs erfahren? Dann lade ich sie dazu ein, mit mir gemeinsam ihren Spuren zu folgen.
SENFTÖPFCHEN-Theater Köln (Altstadt), 18. April 2005
"Ein Abend über eine der interessanten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts, vielleicht die interessanteste... Else Lasker-Schüler führte ein phantastisches wie kreatives Leben. Sie erschuf sich Ihre eigenen märchenhaften Mythen und verstand es, die Grenze zwischen Dichtung und Leben durchlässig werden zu lassen. Waltraud Weiß ist Autorin, Verlegerin und Mitgründerin der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft. Sie sagt, Else sei ihre Großmutter. Warum, erzählt sie an diesem Abend, literarisch begleitet von weiteren 'Töchtern, Enkelinnen, Urenkelinnen'... von Margit Farwig, Barbara Lorenz, Maria Köchling-Graafen und musikalisch bereichert durch Ralph Borchardt, Christiane Borchardt und Simon Boos. Man nannte Lasker-Schüler, die deutsche Sappho' und, den Schwarzen Schwan Israels'. Es gilt, eine Schriftstellerin zu entdecken, die heute selbst zur Muse deutscher Dichter geworden ist. Die Lesung wird abgerundet durch eine Ausstellung: Margarete Wohlfarth präsentiert Bilder zum Schriftwechsel zwischen Else Lasker-Schüler und Franz Marc." - Alles zu Else Lasker-Schüler: Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft.
Die Mitwirkenden: Waltraud Weiß, Autorin und Verlegerin, Gründungsmitglied der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. / Die Autorinnen Margit Farwig * Maria Köchling-Graafen * Barbara BaLo* Lorenz / Einführung: Hajo Jahn (Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft) / Musik: Ralph Borchardt (Piano), Christiane Borchardt (Gesang) und Simon Boos (Klarinette) / Vernissage: Margarete Wohlfahrt, "Gedanken-Bilder"
Elses Töchter und Enkelinnen
sind das "Ensemble Else", das mit dem Programm "Elses Töchter" in Wort und Musik bereits in vielen Theatern aufgetreten ist, wie zum Beispiel im Rex Theater Wuppertal, Senftöpfchen-Theater Köln und an vielen weiteren Orten.
Zeit
Birgit Medele
Leben statt kleben!
Loslassen, Ballast abwerfen und die Leichtigkeit des Seins wiederentdecken
Brief an Else Lasker-Schüler
Glosse
Warum tue ich mir das an. Schreiben. Das Blatt ist so leer, wie ein leeres Blatt nur sein kann, weiß. Der Kopf, ein erloschener Vulkan. Endlose Trecks vergilbter Nullgedanken schleppen sich durch verengte Windungen.Vor Tagen war mir etwas eingefallen. Vergessen! Was war das nur? Stoff für eine Geschichte oder ein Gedicht? Oder eine von vielen Begebenheiten, die es wert gewesen wäre, für die Menschheit mit dem Stift auf ewig festgehalten zu werden, einer Geschichte ein unverwechselbares Gesicht zu verleihen, damit hungrige Leser ein wundervolles Profil entdecken, sich etwa selbst oder nur Ähnlichkeiten an gewissen Linien erkennen? Eine schöpferische Leistung, die sich einbrennt in die Erinnerung von Generationen.Schon lange kriechen Gedankenwürmer durch graue Zellen, sie wollen ein Hörspiel entwerfen.Ich stelle mir vor, wie die Einfälle nur so heraussprudeln. Aber, wann fangen sie endlich damit an? Ganz einfach wäre es, die Eskapaden von noch lebenden Personen mal eben zu Papier zu bringen mit dem Zusatz: Die Handlungen und Personen sind frei erfunden.Das tägliche Leben erweist sich als wahre Fundgrube für makabere, deftige, herz-schmerzliche Hörspielmanuskripte, die nur darauf werden, zu akustischen Leckerbissen aufbereitet zu werden.Hier noch eine kleine Übertreibung, da noch ein bisschen mehr Pfeffer und dort „Butter bei die Fische“. Aus flauen Nicht-Fisch- und Nicht-Fleisch-Episoden ließe sich ein literarisches Feuerwerk zünden, wenn der Funke überspringen würde. Ach ja, das wär’s.Der alte Mann aus dem ersten Stock in der Küblerstraße, der immer so traurig aus dem offenen Fenster schaut, ich wette, der wüsste ein Szenario aufzubauen, wenn er nur gefragt würde. Er schließt abends enttäuscht sein Fenster. An seiner Stirn zeugen tiefe Falten von lebenslanger Missachtung seiner Person, ein ins Abseits Gestellter.Die korpulente Frau zwei Schritte rechts von mir. Warum hat sie sich die Speckseiten angegessen? Sie trägt das Zeichen des immer und immer wieder verlassenen Geschöpfes: die roten Äderchen durchweinter Nächte in ihrem Augenweiß. Augen, die allzu lange vergeblich versucht haben, sich mit Augen zu paaren, keine Zuversicht mehr ausstrahlen können und auch nichts mehr erwarten.Warum sagt ihr niemand, wie schön es ist, sich auf sich selbst zu verlassen? Dass jeder für sich da ist, in erster Linie für sich. „Weil ich es mir wert bin“, versichert uns ganz deutlich die Werbung im Fernsehen. Tag für Tag hören wir diesen Satz. Er schleicht sich ins Bewusstsein, macht bewusst.Ja, warum eigentlich nicht: weil ich es mir wert bin! Nicht nur wegen der Farbe, die ich mir doch ins Haar einwaschen möchte, um attraktiver auszusehen, nein, grundsätzlich bin ich es mir immer und überall wert. Das ist der Schlüssel zum Ich.„Habe ich heute schon gelächelt?“ Mit der Frage überrasche ich mich täglich. „Dann tu es doch!“ Ja, und dann lächle ich. Meine Mundwinkel ziehen in Richtung Ohren, die Lippen öffnen sich, ich zeige Zähne, hole tief Luft, ich entspanne mich und das Lächeln greift um sich, klettert hinauf in Augenhöhe, entlockt seiner Umgebung Lachfältchen. Der Tag wird schön, ich weiß es.Meine Antennen tasten unermüdlich Terrain ab, peilen Talente an, wittern, wann sie auf Empfang gehen können, speichern die Frequenzen. Sie gehen nicht mehr verloren. Ich kann sie jederzeit abrufen.Wie kommt es nur, ein Phänomen, dass erwachsene Menschen jeden Alters plötzlich erwarten, dass man sich um sie kümmert, ihnen Entscheidungen abnimmt, für ihre Unterhaltung sorgt? Ich stecke meine Nase buchstäblich in meine eigenen Angelegenheiten. Aus mir lässt sich noch mehr herausholen. Wer könnte das besser als ich?All das würde ich gern der Frau neben mir zurufen.Sie ist fort.Nun fällt sie mir wieder ein, die Geschichte. Ich habe keine Zeit mehr.Leben Sie wohl!
© Margit Farwig
Kurzgeschichten von Margit Farwig:
Gelesen mit Frau Weiß im letzten Theater von Trude Herr, eine Treppe hoch, 22 Sitzplätze, wir 4 lasen. Bei meiner Geschichte meinte eine ältere Dame, ich habe bei Ihrem Test geweint...
70 Jahre Bücherverbrennung
Dies schreibt Bertolt Brecht, in „Besuch bei den verbannten Dichtern“:
„Das sind die Vergessenen“, sagte der Dante leise, „Ihnen wurden nicht nur die Körper, auch die Werke vernichtet.“
***
Sie wurden ihrer Stimmen beraubt, sie können uns nicht mehr sagen, was sie denken, was für Verse, welche Geschichten sie uns noch erzählen würden, welche Weisheiten, Erkenntnisse sie uns noch mitteilen wollten. Sie wussten, wie man Gedanken in Worte kleidet. Sie wussten, wie man diesen Gedanken auf die Spur kommt, sie hervorbringt, wendet, ausleuchtet und sie endlich auf ein weißes Blatt Papier setzt. Für uns, die wir jedes Wort gierig aufsaugen, an den Erkenntnissen teilhaben, sie zu unserem Gedankengut machen, damit wir daraus lernen, nicht immer dieselben Fehler zu machen. Gedankenwahrheit wirft sich nicht in den Ring, kämpft nicht mit unlauteren Mitteln, nein, sie steht mitten unter uns und ist wahr wie das Wort ausdrückt – Gedankenwahrheit. Nicht jeder Kopf, jeder Geist denkt gleichzeitig alle guten Gedanken. Jeder Mensch ist unterschiedlich beschenkt mit Gaben der Erkenntnis, es sind die klugen Geister, die uns in gewisser Weise die Arbeit abnehmen und wir lesen ihre Produkte, profitieren davon. Je mehr der Mensch liest, umso umfassender wird sein Gedankenbild. Er kann sich ein Bild davon machen, wenn er die fremden Gedanken in seine Handlungsweise einbaut und plötzlich merkt, das ist eine gute Sache, jetzt weiß ich weiter oder ich kann mir endlich die Dinge erklären, die für mich undurchschaubar, nebulös erschienen. Viele kleine und große Fortschritte führen in eine neue Welt, in die Befreiung von kleinlichem Gedankengut. Es verlangt im günstigsten Fall nach mehr. So ergeht es mir, wenn ich ein Buch ausgelesen habe und mich urplötzlich in der Wirklichkeit wiederfinde. Egal wie sie aussieht, eine Leere entsteht, die neu gefüllt werden muss und zwar mit meinem eigenen Leben. Es war so schön, in die Rolle eines anderen zu schlüpfen und ganz weit weg zu fliegen. Geht nicht. Ein neues Buch muss her. So hangelt sich der Mensch von Buch zu Buch. Wer einmal von dem Virus befallen ist, kann sein Leben lang nicht mehr aufhören.
Allzu viel Geist zu besitzen, fordert Neid heraus. Jetzt kriechen hässliche Gedankenwürmer durch neidische Gefühlswelten und wenn alle Anzeichen rundherum stimmen, ist das, was geschehen ist nun die Folge. Dann glühen die Drähte heiß und es bestätigt sich, was Maxim Gorki im „Lied vom Sturmvogel“ schrieb: „Es liegt etwas Berauschendes im Kampf.“ Ob der Kampf auf dem Schlachtfeld oder im Kopf tobt, das spielt keine Rolle.
Dann muss ich unbedingt Charles Perrault erwähnen, der in seinem „Märchen vom Prinzen Piquet“ schrieb: „Was Ihr in diesen Märchen seht, ist kein Gebild der Phantasie, es ist die Wahrheit selbst.“
Wenn wir uns nun bemühen würden, in dem Menschen von nebenan oder von ganz weit weg einen Märchenerzähler zu wähnen, der uns, wenn wir ihn nicht verteufelt hätten, Geschichten erzählen könnte, wunderschöne Märchen aufgeschrieben hätte. Wir lieben doch Märchen, würden sie lesen und auf der Bühne aufführen sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen. Andächtig würden wir sitzen und hören und schauen. Wenn ich unseren Kindern Märchen vorgelesen habe, musste ich häufig mitweinen, ganz verschämt.
Hier hinein gehört von Erich Mühsam aus dem „Soldatenlied (1916)“:
„Vergesst den Freund im Feinde nicht!“
Haben nicht Soldaten an den Grenzen, den Fronten erlebt, wenn sie Wache schoben, dass sich Gefühle für den Mann an der anderen Seite einschlichen. War er nicht genauso betroffen von allem Elend des Krieges, dachte an die Lieben zu Hause, an den Wahnsinn des Kampfes, Mann gegen Mann. Sie sahen sich in die Augen und wussten, sie wollten nicht sterben, nicht durch die Hand des anderen und sie wollten auch selbst nicht den Leidensgenossen umbringen.. In diesen Momenten offenbart sich die menschliche Tragödie. Er könnte mein Freund sein, ist es schon geworden.
Nach jedem Krieg beginnt der Neuanfang. Jetzt wird aufgebaut, nicht nur das Materielle, auch über die Grenzen hinaus wird verziehen, werden neue Freundschaften geschlossen, die alten aufgefrischt. Mit menschlicher Vernunft, ohne die ewigen Besitzansprüche, ließe sich doch ein Krieg vermeiden. Wenn sich hinterher sowieso wieder alle „vertragen“ und erleichtert sind, dass das Elend vorbei ist, sollte man so konsequent sein und vorher all das auf den Tisch bringen, was jetzt läuft. Warum dann noch Krieg mit allen Begleiterscheinungen bevor es losgeht und wenn er zu Ende ist.
Ein Jahrtausende altes Spiel. Heute sind fast überall die Grenzen festgelegt. Hoffentlich sind wir jetzt so schlau und halten die Regeln ein. Was uns nicht gehört ist tabu und soll es bleiben.
Viele gute Ansätze sind da, die hoffen lassen. Es werden so viele Bücher geschrieben wie nie zuvor. Für jeden ist etwas dabei, der geistige Frischedienst wird bedient wie nie zuvor. Die Literatur- und Schreibwerkstätten wachsen wie Pilze aus dem Boden, pflanzen sich fort wie das Fadengeflecht der Pilze, genannt Myzelium. Lyrik und Prosa unterwandern Internetseiten, es wird gesammelt, oneline gestellt. Und es darf gestaunt werden. Wenn all das beherzigt wird, was dort geschrieben steht, könnten wir beruhigt sein. Dann würde nur noch Frieden auf Erden gelebt. Ein schöner Traum!
© Margit Farwig 2003 - gelesen „70 Jahre Bücherverbrennung in Köln“ in Köln
"Das ungeduldige Zündhölzchen"
Da liegen sie nun in der dunklen Schachtel, ein Zündhölzchen neben dem anderen.
„Ich möchte hier raus, ich will etwas Großes anrichten und denke an ein Feuer, das nicht zu löschen ist“, so denkt das oberste Zündhölzchen, das besonders vorwitzig ist, „es ist so eng hier“.
Jedes Mal wenn die Hausfrau die Schachtel öffnet, fällt ein heller Schein ins dunkle Verlies. Sie schließt sie aber so schnell wieder, dass es kein Entrinnen gibt. Und außerdem bläst sie die Flamme aus, sobald sie eine Kerze oder Zigarette angezündet hat.
„Ich will nicht enden wie die anderen“, ruft das Hölzchen laut, „wenn ich an der Reihe bin, werde ich blitzschnell als Funke auf den Teppich springen. Dort glühe ich so lange, bis aus mir eine richtige Flamme wird. Dann laufe ich bis zur Gardine. Wenn ich es richtig gesehen habe, steht nebenan eine Holzfirma. Nur Holz, du meine Güte, wie ein Lauffeuer werde ich brennen. Ich klettere von Latte zu Latte, brenne mich durch bis zu den gestapelten Brettern, zünde eine Flamme nach der anderen. Ein Flammenmeer lodert zum Himmel und ich, ich, das unscheinbare Zündhölzchen, habe das angerichtet. Wie das knistern wird, knacken und knallen, Funkenstürme werden sich ergießen in das Dunkel der Nacht. Ja, Nacht muss es sein! Für all die sang- und klanglos entzündeten Mithölzchen werfe ich neue Flammen. Ich werde sie rächen. Ihnen wurde die Flamme gelöscht, ehe sie überhaupt ein einziges Feuer legen durften. Ich, ich, ich...“
Während das Zündhölzchen träumt, schwinden die anderen aus der Schachtel, bis nur eins übrigbleibt.
„Ja, was ist das?“, fragt es sich.
Eine Stimme ruft: „Zünde doch bitte die Kerze auf dem Tisch an, Elisabeth!“
„Ja, Mama.“
„Jetzt schlägt meine Stunde!“, erregt sich das letzte Zündhölzchen.
Elisabeth nimmt die Schachtel in die Hand und wirft sie sofort in den Papierkorb.
„Mama, die Streichhölzer sind alle!“
Elisabeth holt neue.
Das letzte Hölzchen kocht vor Wut.
„Sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht mich zu finden.“
Es windet sich hin und her und her und hin.
Dabei schrammt es heftig an die Schachtelwände. Plötzlich brennt es und brennt wie in seinen kühnsten Träumen.
„Ich brenne!“
Schon brennt es an allen Ecken und Enden. Es eilt vom Sofa zur Gardine, von der Tischdecke zum Stuhl. Es brennt das ganze Haus.
Als es nichts mehr zum Brennen gibt, haucht das Zündhölzchen einmal kurz auf und – verlöscht glücklich.
© Margit Farwig
Die Geschichte hatte sich ein Lehrer aus Leiden für seine Schüler erbeten, die die deutsche Sprache erlernen wollten. Es war mir eine große Ehre ...
Der Rosenmann
Endlich geht der Sommer zu Ende, es ist viel zu heiß, ich mag keine heißen Tage, keine heißen Stunden und überhaupt, wohl temperiert muss mein Tag, müssen meine Stunden sein, soll ich sie empfinden, mich daran reiben, ihnen den Stempel eines für mich erfolgreichen Tages aufdrücken, mit Nachdruck. Ich hasse den Druck, die Stresseinheiten, die sich über Nervenbahnen verbreiten, sobald Hitzesträhnen die Stirn herunter rinnen. Das Tröpfeln von Schweißperlen, von ekligen Schweißperlen salzigen Gehaltes, die das Salz aus meinem Körper schwemmen, als wenn ich genug davon hätte. Nachfüllen wie beim Salztöpfchen ist angesagt, trinken, Mineralquellen leer schlürfen, damit meine Zellen nicht zusammenklappen oder ihnen die Luft ausgeht, was meine Zellen nicht zusammenklappen oder ihnen die Luft ausgeht, was schlimmer ist, nicht austrocknen. Ich stelle mir eine große Handvoll Rosinen vor, die sich eklatant in meinem Gehirn einnistet, es ist mein Gehirn, nur vor, die sich eklatant in meinem Gehirn einnistet, es ist mein Gehirn, nur, weil ich nicht genug Flüssigkeit zu mir nehme. Auch hier ist das Salz das Salz in der Suppe meiner Eingeweide, meiner Zellen, meiner Muskeln und was weiß ich, sonst wäre ich ein halber Mensch. Fazit, neu einschütten und von vorne läuft der Film über den Kreislauf meines kleinen Menschenlebens.
Zuviel Kraft geht verloren, mein Ich hängt wie in den Säulen der Akropolis, wenn ich es genau überlege. Zuviel Widerstände legten sich mir in den Weg, ich will wieder frei sein, frei atmen, frei denken, frei handeln. Ist das zu viel verlangt? Ich, ein Mensch, dessen Würde unverletzlich sein soll. Bin ich weniger Wert als andere meines Geschlechts, meines Jahrgangs, meiner Denkungsart. Habe ich nicht immer versucht, einen geraden Weg einzuschlagen? Gewiss, es gab mir selbst gelegte Stolpersteine, die andere sich nie auf ihre Lebensbahn gelegt hätten.
Bin ich die anderen, bin ich der oder der oder wer? Eine große Last wurde mir die ewige Liebhaberei von Damen, es waren meistens Damen. Darauf wenigstens legte ich Wert. Andere wären nie infrage gekommen. Von weitem schon sah ich den lieblichen Gestalten an, woher sie kamen und wohin sie eventuell gehen wollten. Ich sage es frei heraus. Sie wollten mit mir gehen. Immer und immer wieder habe ich das geglaubt. Von Frau zu Frau und wieder von vorn. Das Drama hat bis heute kein Ende genommen. Daher versuche ich jetzt, Ordnung in mein Leben zu bringen.
Das Wirbeln mit diesen unzufriedenen, fordernden, nie den Hals vollkriegenden, Entschuldigung, dass ich so ausfällig werde, sogenannten Dämchen steht mir bis zu meinem Hals. Basta! Ich will ein neues Leben. Und doch waren sie das Lieblichste, was ich mir auf dieser Erde vorstellen Und doch waren sie das Lieblichste, was ich mir auf dieser Erde vorstellenkonnte. Und ich sage noch einmal, es war an sich die schönste Zeit meines Lebens.
Ich versuche, davon zu erzählen, ich mag meinen Namen nicht nennen, ich schäme mich, ich erzähle so, als wenn es eine andere, vollkommen fremde Person gewesen wäre: "Tief in seinem Herzen ruhen Legenden von Helden auf duftenden Rosenblättern, gebettet auf süßen Träumen, erwartend den Dornenstoß mitten ins Innerste. Sie rufen die Namen der Angebeteten in den Tag und in die Nacht. Im Früh Lied der Amsel wachsen ihnen Flügel gesponnen aus Liebe und Sehnsucht nach Erfüllung ihrer Träume.
Sie wechseln nie ihren Standort aus Furcht, die Angebetete könnte sie nicht finden in neuer Position, da sie sich nach dem Klang orientiert, die geortete plötzliche Leere ein Entschwinden signalisieren würde. Sie werden nicht müde, verspüren weder Hunger noch Durst, vergraben ihre lustvollen Gebeine in der Aura klangvoller Blütenträume, nach denen sie greifen, wenn ihnen vor Augen dunkel wird. Dann lassen sie wachsbleiche Kolombinen, rosarote, dunkelrote, Tee gelbe und ich weiß nicht, in wie vielen Farben, nach den Sonnengesängen der Winde aufsteigen, dass ihnen ein helles Licht der Liebe scheinen möge.
Sie greifen nach jedem Halm, der ihnen auch nur andeutungsweise verspricht, die Angebetete wird ihr Augenmerk auf sie richten und sie erhören. In Wirklichkeit wird sie nicht ein einziges Mal auch nur den Kopf bewegen, geschweige denn ihr Herz hüpfen lassen und schon gar nicht für diesen abgewiesenen Liebhaber, Liebhaber, der er gern sein wollte, wenn, ja, wenn nicht ein Missklang ihrer gemeinsamen Melodie sich eingeschlichen hätte. Missklänge gestalten sich auch hinfort nicht zu wundersamen Klängen gebacken aus Liebe und Leidenschaft. Ein falscher Takt legt das erwartungsvolle Gefühlssystem auf der Stelle in aller Stille lahm. Nicht ein Rhythmus funktioniert ohne Metronom, etwas anstrengend für gefühlvolle Stunden. Diese Beziehung ist auf ewig gescheitert. Die Rose in der Hand, mit einem Lächeln auf den Lippen und in ihren Augen, eine letzte großzügige Geste an den Enttäuschten, entschwindet sie wie sie gekommen ist. Gerade dieses Lächeln erweist sich als Fehlstellung der Weichen in das Land der Liebe. Verheißung, Verheißung für die Zukunft, sie kommt wieder, eines Tages zu unverhoffter Stunde.
Tag und Stunde ist nicht von ihrem Gesicht abzulesen, liegt ganz allein in ihrer Hand. Ich muss nur angemessen warten. Das Heer der Verflossenen wächst heran zu unendlichen Weiten, duftenden Feldern mit erstarrten Leibern und Gelüsten. Unter ihrer Haut brodeln Vulkane und in ihren Seelen steigen Geysire heißer Tränen gen Himmel, immer in der Hoffnung, ein Spritzer wird die erwartete Geliebte auf ihrem Weg zu ihm treffen, Ansporn sein, den Gang zu beschleunigen, denn ausgebreitete Arme warten auf sie. Auch er, der Rosenmann gehört zu dieser Gattung. Er pflegt hingebungsvoll seine Rosen, die wachsbleichen, rosaroten, dunkelroten, teegelben und ich weiß nicht in wie vielen Farben. Jede Knospe lächelt ihm zu: Warte, warte, sie wird kommen. Er spricht mit ihnen.
Besonders die erste Begegnung, die dunkelrote Rose ganz vorn am Eingang des Rosenwunders, hat ihn zu wahren Romanen hinreißen lassen. Mit ihr verbindet ihn die Liebe zu einer einzigartigen Frau. Ihr schwarzes Haar übertrifft die Dunkelheit der Nacht gepaart mit dem Blau des Enzians. Noch heute überfällt ihn ein Liebesstrahl, wenn er nur daran denkt. Ein Zittern durchfährt seinen Körper und sein Teint gleicht dem Rot dieser Rose. Es nimmt ihm den Atem, er wankt stets, sucht nach Halt und es endet mit dem Fallen auf das Sofa, auf dessen Plüsch er mit Irène gesunken ist, wenn ihn die Liebe übermannte.
Irène heißt die geliebte Rose, Irène verkörpert seine Vorstellung von Frauen, die er auch in Zukunft lieben will. Sie wird wiederkommen. Sie bleibt verschwunden. Er müsste nicht aus Fleisch sein, sollte er nicht neue Abenteuer bewältigen. Sie suchten ihn heim, sie verlangten seine Präsenz ganzkörperlich. Ja, er ließ sich fallen, ließ es geschehen. Eine hinreißende Versuchung in Gestalt einer langstängeligen Rose mit dem Namen Annabelle fiel mitten in sein verdorrtes Gemütsleben. Er hatte Mühe, nicht tatsächlich eine Rose in ihr zu sehen.
Die Begriffe purzelten durcheinander, so verliebt war er dieses Mal. Natürlich war sie langbeinig und die Rose, die er ihr zum Gedenken pflanzte langstängelig. So durcheinander bewegten sich seine Gedanken, dass er Irène einfach hinter der nächsten Anhöhe versinken ließ. Jetzt ließ er sich von Annabelle entzücken. Sie war eine Sünde wert. Annabelle zierte sich ein wenig. Einerseits gefiel ihr das Balzen, andererseits fühlte sie sich seltsam enthoben von dieser Welt. So etwas war ihr noch nie passiert. Um es genau zu sagen, sie fühlte sich zu ihm hingezogen und im nächsten Moment nicht mehr, eher abgestoßen.
Auf welcher Welle sollte sie reiten? Sie beschloss, sich gehen zu lassen, den Reiz des Neuen zu genießen. Der Rosenmann schwelgte, er, der lange nichts gefühlt von gleichgestimmten Seelen, vom Wiegen im Sommerwind. Die Liebe perlte wieder. Ihre langen hellen Haare wogten im gleichen Takt des Windes, wenn sie über Wiesen wanderten, Berge erklommen oder am Bach den Forellen zusahen. Hand in Hand zogen sie auf der Straße der Verliebten ins Reich der Sinne. Eines Tages warf sie den Kopf nach hinten, tippte sich an die Stirn und wusste plötzlich, was sie so deutlich bereits am Anfang verspürt hatte. Es war nicht die erwünschte Liebe, das Quäntchen Erfüllung fehlte.
Nie fühlte sie sich angekommen, sie wartete noch immer auf etwas Besonderes. Er konnte ihr die ewige Liebe nicht geben. Je schneller sie diese Liebe beenden würde, umso rascher könnte sie ihn vergessen. Sie schaffte den Absprung glänzend. Geknickt, ein welkendes Rosenblatt, ein fallendes Blatt, er war alles gleichzeitig. Nun perlten Tränen über seine Wangen wie Morgentau von den Blättern. Eingesponnen wie in Spinnenfängen von Seidenfäden umgarnt, suchte er einen Ausweg. Ihm blieb nichts Anderes übrig, als eine Rose zu pflanzen, das Allheilmittel, welches ihm zur notwendigen Gewohnheit wurde. Gelb und langstielig, eine herbsüße Erinnerung, das sichtbare Zeichen einer Wiederkehr der Geliebten. Sie weiß es noch nicht, aber sie kann ihn bestimmt nicht vergessen.
Es muss ein Wiedersehen geben. Denn die Rose schaut der Liebe ins Antlitz, die Rose schenkt der Liebe Tau statt Tränen, die Rose liebt den Tau auf Blüten der Liebe, im Antlitz der Rose lebt die Liebe und aus diesem Grund schaut Annabelle eines Tages nach ihm, sie trägt das Antlitz einer Rose, eine Verpflichtung an die Liebe, an seine Liebe. Noch ehe ein Jahr vergangen, stand eine neue Liebe wie hingegossen vor ihm. Nicht seinetwegen, nein. Sie war an ihn gestolpert, fast hingefallen, wenn er sie nicht aufgefangen hätte. Und doch fand sich schlagartig eine Gelegenheit, neue Liebesfäden zu spinnen.
Geistesgegenwärtig bot er ihr seinen Arm und in der ersten Überraschung griff sie danach und hielt sich fest. Dabei musste auch zu ihr en Funke übergesprungen sein, weil sie verwirrt zu ihm aufsah und in seinem Gesicht ein charmantes Lächeln entdeckte. Er beherrschte die Technik der ersten Sekunden und die der danach kommenden Stunden und Tage auch, vergaß aber zum wiederholten Male, sich gerade in solchen Momenten auf vergangene grob zu sagen, er verschenkte sich derartig gleich zu Beginn der Beziehung Rückschläge zu besinnen. Um es und besaß nichts mehr für eine fundierte, dauerhafte und glückliche Verbindung. Schließlich sollen sich findende Paare nicht immer wieder verlieren. Vorkommen kann es und wird es auch in der Zukunft, aber immer wieder?
Jeder Mensch lernt aus Fehlern, nur dieser verliebte Gockel rannte schlichtweg ins nächste Dilemma. Er holte mächtig aus, packte die Gelegenheit beim Schopf und die Dame war vorerst auch nicht mehr zu retten. Sie himmelte ihn sowie seine Darbietungen an. Als sie dann noch ihren Namen nannte, es ist ja so üblich, sich gleichzeitig in den Vornamen zu verlieben, als wenn es keine schöneren Namen auf der ganzen Welt geben könnte, fühlte er sich wie vom Blitz getroffen. Sie hieß sage und schreibe GLORIA.
Gibt es einen himmlischeren Rosennamen als diesen? Nein! Gloria war bestimmt für seinen Rosengarten. Noch ging ihm die ganze Tragik nicht auf. Eifrig suchte er nach Begegnungen mit ihr. Sie wich ihm nicht aus, im Gegenteil, sie liebte seinen Gang, wie er ihr entgegenlief, wie er sie in die Arme nahm und sie zärtlich küsste. Der Rosenmann glaubte, seinem Glück entgegen zu laufen. Eine Weile standen alle Anzeichen auf Sieg. Endlich ein Sieg in der Liebe, wie lange hatte er darauf gehofft. Mit Vehemenz verstärkte er seine Bemühungen, suchte in seinen Liebeserinnerungen, was er bisher an Liebesleistungen auf dem Kasten hatte. Eine Menge, er quoll über, er schäumte über, übernahm sich wie gehabt und weinte schließlich über sich selbst.
Wie konnte er so einfältig sein und die weinte schließlich über sich selbst. Wie konnte er so einfältig sein und die weinte schließlich über sich selbst. Wie konnte er so einfältig sein und die kostbare Blume Gloria gediegen, aber so gediegen wiederum nicht, dass sie den Wust an überstrapazieren. Gloria lebte gediegen, liebte Liebesbeteuerungen seitens des Rosenmannes auch nur noch eine Stunde länger ertragen wollte. Sie packte ihre ganze Liebe und Habseligkeiten ein, rannte zur Tür und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Mit Entsetzen folgten ihr seine Augen, seine Füße, sein Selbstmitleid.
Bis zur Tür schaffte er den schweren Gang, dann brach er zusammen. Nach zwei Tagen schlug er die Augen auf, räumte sich weg, schritt kraftlos in seinen Garten, fasste nach der zartrosa Rosenzüchtung und reihte sie zärtlich und hilflos ins Beet der Verflossenen. Gloria...Dann dachte er tief nach und fand wiederum das Feld der Helden auf duftenden Rosenblättern, gebettet auf süßen Träumen, den Dornenstoß mitten ins Innerste erwartend. Sofort fiel er ein in den Chor der Rufenden, obwohl Gloria nicht einmal eine Rose in der Hand hielt, ihre Augen nicht lächelten und auch auf ihren Lippen nichts an Versprechungen zu erkennen war. Er erstarrte zu seiner eigenen Legende. „Ich habe mein Leben erzählt, habe es ausgeschüttet wie vor einem Freund oder Seelsorger.
Jetzt gilt es, mein Schicksal zu wenden, eine Drehung zu vollziehen. Ich werde kreiseln, schwimmen, fliegen ... und der Herbst wird mir eine Stütze sein, eine dargereichte Hand.
Ich habe mein Leben erzählt, habe es ausgeschüttet wie vor einem Freund oder Seelsorger, . Jetzt gilt es, mein Schicksal zu wenden, eine Drehung zu vollziehen. Ich werde kreiseln, schwimmen, fliegen...und der Herbst wird mir eine Stütze sein, eine dargereichte Hand.
Glasklar liegt vor mir eine Landschaft, die Tannenspitzen eingehüllt in weiße Nebel, das beruhigt mich, alles Störende, Strömende fallt von mir ab. Ja, ich spüre das Weiche am Tag und in der Nacht. Weiße Nebel sollen mein Herz besetzen, es umfangen, einhüllen in nebelweiche Watte. Kein Stoß soll mich verletzen, kein Hieb mich zerfetzen...ich fange an zu dichten. Sollte diese Wende auch meinen Geist beflügeln, es wäre nicht auszudenken. Ein so verletzter Mensch wie ich es bin, meiner Würde fast beraubt, greift nach Worten, windet sich darin, das kann nur heroisch enden, so oder so.Ich lasse die Nebelschleier nun ziehen:
Über Wiesen, Heckenraine
ziehen Elfen, leise tanzend
ihren Reigen,
um die Leiber winden sie
Nebelschleier fein gesponnen
Mit großer Freude, darf ich noch berichten, das das Buch von Tanja Major „ Schätze aus Wald und Wiese“,
im Rahmen des Literarischen Wettbewerbs der Frankfurter Buchmesse mit einer Silbermedaille der GAD 2022 prämiert wurde. In diesem Buch sind 9 Gedichte von Margit Farwig.. Die renommierte Gastronomische Akademie Deutschlands GAD bewertet dort die besten Genuss-Bücher.
Darüber wird demnächst in der Oyyster berichtet.
https://www.gastronomische-akademie.de/aktivitaeten/publikationen/oyyster.html
Sonntag 30.10 von 10.00 bis 17.00
Abenteuer-Literatur : Herzlichen Glückwunsch
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