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Ein Igel am frühen Morgen..

Ein Igel am frühen Morgen..

Ein unerwarteter Besuch

Es sind wenige Tage nach dem Jahreswechsel. Heute finde ich meinen Bericht zufällig wieder.Mein Mann will gerade mit den Hunden zur Morgenrunde das Haus verlassen, da kommt ein Mann mit einem Karton in die Einfahrt und fragt nach der Igelstation.Mein Mann ruft mich, ich lasse den Besucher herein. Er grüßt von einem Pfarrer aus dem Nachbarort, von dem er meine Adresse hat, und er bringt eine Tüte frischer Brötchen mit – wohl ein Bäcker, denn er spricht von seiner Frau und mehreren Filialen.Geschlossene Station?Was hättet ihr getan?

Der Zustand des Igels

Der Igel ist ein adultes Tier, kaum Flöhe, einige Zecken. Er atmet mühsam und keuchend.An beiden Halsseiten hat er Verletzungen, wie von einem Hundebiss. Zum Glück ist es keine Madenzeit.Er rollt sich ein, aber schnell wieder aus.Seine Temperatur ist handwarm – also normal.Die Augen liegen tief, sind nicht halbkugelförmig geöffnet.Die Nase ist trocken.Die Atmung fühlt sich am Brustkorb kratzig an, wie bei einer schweren Bronchitis.Er kämpft um Luft, öffnet das Maul und zeigt eine zyanotische, also bläulich verfärbte Zunge.Ich bringe ihn kurz in Handstandposition – es ist ein Männchen.

Erste Maßnahmen

Ich wiege ihn: 548 Gramm.Das ist viel zu wenig. Er sollte mindestens das Doppelte haben.Winterschlaf? So geht das gar nicht.Das Stachelkleid weist ihn eindeutig als adultes Tier aus, nicht als Jungtier vom letzten Jahr.Ich sprühe ihn ein – es fallen nur wenige Flöhe ab.Ich entferne die Zecken.Nach Rücksprache mit meiner Tierärztin spritze ich ein Breitbandantibiotikum und einen Schleimlöser, dazu gibt es Vitamine und eine Elektrolytlösung.

Versorgung und Beobachtung

Ich setze ihn in ein Gehege mit Schlafhaus, biete Trinkwasser an und – weil es früher Morgen ist – etwas gutes Katzentrockenfutter und ein wenig Nassfutter.Wie erwartet ist der Igel durch seine Luftnot trotz Interesse am Futter nicht in der Lage, wirklich zu fressen.Ich lasse ihn völlig in Ruhe und warte den ersten Kot ab. Dann sehen wir weiter.Im Vordergrund stehen die Behandlung der massiven Bronchial- und Lungenentzündung, die Schleimlösung und der kräftemäßige Aufbau.Entwurmt wurde er erst gezielt, als er stabiler war und feststand, welcher Parasit führend ist.(Häufig finden sich in dieser Jahreszeit auffallend wenige Geschlechtsprodukte von Innenparasiten im Kot. Es ist, als gingen die Parasiten mit den Wirten in den Winterschlaf und vermehrten sich in dieser Zeit nicht.)

Ein guter Ausgang

Wir haben uns dann die unerwartet gebrachten frischen Brötchen schmecken lassen.Ich darf eines verraten:Der Igel war lange bei uns, er wurde gesund und hat sogar noch etwas Winterschlaf gehalten.Nach seinem Erwachen und als der Frühling ausreichend angekommen war, haben wir ihn an einer sehr schönen, igelgerechten Stelle ausgewildert.Möge er seine zweite Chance gut genutzt haben.

© Karin  Oehl

 

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