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November

November

Heinrich Seidel: „November“

Solchen Monat muß man loben:
Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein
und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie naß er alles macht!
Ja, es ist ’ne wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind
und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
und sie durcheinander wirbelt
und sie hetzt ohn’ Unterlaß:
Ja, das ist Novemberspaß!

Und die Scheiben, wie sie rinnen!
Und die Wolken, wie sie spinnen
ihren feuchten Himmelstau
ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen:
Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Schimmernd hängt’s an jedem Zweig,
einer dicken Träne gleich.

Oh, wie ist der Mann zu loben,
der solch unvernüft’ges Toben
schon im Voraus hat bedacht
und die Häuser hohl gemacht;
sodaß wir im Trocknen hausen
und mit stillvergnügtem Grausen
und in wohlgeborgner Ruh
solchem Greuel schauen zu.

Heinrich Seidel (1842–1906)

Der November naht

Ja, der November naht, er schickt seine Boten voraus: Regen, Sturm. Nichts ist mit ruhigen Spaziergängen im Wald.Auch Autofahren ist aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht möglich, also gehen wir die nötigen Wege entlang einer Landstraße, hinein in einen kleinen Park, der so wenig von einem Park hat, wie wir uns ihn vorstellen.Der Hund ist unzufrieden. Er ist es anders gewohnt – und doch sind wir froh, dieses Fleckchen fußläufig erreichen zu können.

Wetter, Wind und Laub

Manchmal wagt sich die Sonne heraus, aber immer nur kurz. Und das herrlich bunte Laub fällt und fällt.Die Gemeinden kommen mit dem Räumen der Gehwege nicht nach – alle Jahre das Gleiche!Wenn das Laub so nass und schwer auf dem Boden liegt, besteht erhöhte Rutschgefahr.Wenn die Bäume nackig dastehen, kann den unbedarften Spaziergänger schon mal der kalte Wind böse beuteln. Die Ohren schmerzen, wenn man keine Mütze trägt. Ein Schal wird fällig, die dickere Jacke ebenso. Der Schirm muss mit – doch wenn der Wind zu heftig bläst, ist er schnell kaputt und hilft uns auch nicht mehr.

Dunkelheit und Zeitumstellung

Die Tage sind deutlich kürzer als noch vor einiger Zeit. Und jetzt dazu noch die ärgerliche Zeitumstellung!Die Tiere wissen es nicht – von wegen länger schlafen. Sie haben im Sommer ihren Rhythmus gefunden und verlangen ihre Ordnung.Viele Uhren stellen sich heute automatisch um, aber es bleiben noch genügend, die von Hand gestellt und aufgezogen werden müssen. Das ist immer ein Akt.

Erinnerungen und Vergänglichkeit

In der Tageszeitung nehmen die Todesanzeigen deutlich zu. Wir denken an die Menschen, die wir mochten, die wir kannten und die längst nicht mehr unter uns sind.Wo ist die Zeit geblieben? 1999 sind unsere Mütter gegangen – eine im Frühling, eine im Spätherbst.Das bedeutete: Nun sind wir endgültig erwachsen. Wichtige Ratgeber sind nicht mehr da. Oft war es lästig, immer ihre Meinung und ihre Vorschläge aufnehmen zu müssen. Jetzt möchten wir sie so manches Mal wieder hören.Auch Freunde sind nicht mehr da. Ein hartes Jahr, wie auch schon das vorige, liegt fast hinter uns.

Die Zeit läuft weiter

Aber die Welt dreht sich weiter. Manchmal möchten wir die Zeit anhalten, ja sogar zurückdrehen – aber wir sind keine Uhren.Unaufhaltsam läuft unsere Uhr, und wir müssen im Takt mit, ob wir wollen oder nicht.Jeder Tag ist einmalig, kann sich nicht wiederholen. Und je älter wir werden, desto bewusster wird uns das. Wir gehen achtsamer miteinander um, wertschätzender.Unsere Kinder werden das eines Tages auch erleben und nachdenklicher werden. Für sie ist es noch weit weg – bei uns war es früher genauso.

Die stillen Freuden

Wir genießen mehr die ruhigen Stunden bei Kerzenschein an den dunklen, verregneten Tagen. Wir hören schöne Musik, lesen, genießen auch mal ein Glas Wein und die Ruhe, die wir früher nicht hatten.Der traurige November hat auch seine guten und schönen Seiten.

© Karin Oehl

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