Heimat...
Was ist Heimat, was bedeutet es uns? Geboren in....aufgewachsen in.. Eltern getrennt, nach dem Krieg keine Seltenheit. Als evangelisches Kind in streng katholischer Umgebung aufgewachsen. Hauptbezugsperson Oma, Gedanken gehen weit zurück. Dort in dem Ort kannte ich fast jeden Stein, jeden Baum, jede Straße. Viele Erinnerungen verbinden mich noch heute mit dem Ort. Die knappe Freizeit meiner Mutter verbrachten wir mit unseren Fahrrädern in der Stadt und im nahen Umfeld. Meine Mutter kannte viel in der Natur und vermittelte es mir so, dass es heute noch sitzt und ich als alte Frau es noch meinen Kindern und Enkeln weiter gebe.
Schule besucht, Schulkollegen Kolleginnen gehabt, Wenige Freunde, Außenseiter, weil wir daheim arm waren, alte Ansichten die Gesetz waren. Schulende, Beruf gesucht, lange nicht gewusst, was für mich das Richtige wäre. Besuch in der Klasse von einer jungen Frau, eine Ärztin suchte einen Lehrling.Das , ja genau das war es für mich, warum bin ich nicht allein drauf gekommen? Der Beruf war gerade erst anerkannt, kein Lehrberuf, ein Anlernberuf. Die monatliche Vergütung war lächerlich gering ,Schulbesuch nein, meine Mutter klemmte sich dahinter, Schulbesuch ist Pflicht. Und Vertrag von der Ärztekammer, bekam ich nicht, ich war viel zu jung für den Beruf. Chefin wurde krank, zig Vertreter in der Praxis. Dem einen seine Eule war des anderen Nachtigall, Was war richtig, was falsch? Meiner Mutter wurde es zu bunt ich musste die Stelle aufgeben.
Mit einer Sondergenehmigung im Nachbarort eine neue Ausbildungsstelle gefunden. Ausbildung war streng, aber sehr umfassend, kurz bevor meine Ausbildung zu Ende war und ich erste Kraft werden sollte, ging meine Ausbilderin, es kam eine Neue, die erste Kraft wurde. Ich war übrig, zu teuer als voll ausgebildete Kraft. Prüfung bestens bestanden, Stellensuche, ich liebäugelte mit der weiteren Ausbildung zur Krankenschwester, bekam eine Anstellung im Heimatort in einem Krankenhaus, musste bis zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres erst mal als Hilfskraft/Putze dort arbeiten.Katholisches Haus, ich evangelisch, Kind geschiedener Eltern, die Nonnen meinten aus mir erst mal einen Menschen machen zu müssen und haben mich drangsaliert. Traum vom Beruf der Krankenschwester wieder aufgegeben, Zahnarzthelferin geworden, aber es gefiel mir absolut nicht.Heimatnah bekam ich eine neue Stelle, wo ich auch die Woche über wohnen konnte, wie ein Kind im Hause. Chef prima, Ehefrau eine Xanthippe, die nicht einfach war. Dennoch interessante Praxis , viel dazu gelernt (Landpraxis)Irgendwann , ich war schon lange mit meinem Freund zusammen, wollten wir beide keine Fernbeziehung mehr. Ich war volljährig geworden und bin ihm in die Großstadt gefolgt. Meiner Mutter war das gar nicht recht, sie zog alle Register um das zu verhindern, erfolglos.
Nun war ich in Köln, mir war die Arbeit in Heimatnähe auf Grund der vertrauten Mentalität der Menschen noch Heimat. Jetzt wurde es ernst , alles fremd. Puh, das war nicht so einfach. Manch blutige Nase habe ich mir geholt mit meiner direkten Art. Nach kurzer Zeit bekamen mein Freund und ich eine kleine Wohnung, Altbau, egal, preiswert, wir wollten ja noch bauen.Es wurde geheiratet und schneller als man dachte, waren Kinder da, dennoch das Haus, lange geplant, wurde gebaut, wieder ein anderer Ort, mein Mann hat fast alles allein gebaut. Ich hatte die Kinder und noch stundenweise Arbeit und sah ihn kaum. Endlich konnten wir einziehen, das Haus war noch lange nicht fertig. Mein Mann wurde krank und musste lange ins Krankenhaus. Ich war allein im halbfertigen Haus mit zwei kleinen Kindern, kannte niemanden, alles fremd, finanziell ging es kurz vor knapp. Nein, heimisch gefühlt habe ich mich nicht, auch fehlten mir wie gewohnt, die Wälder, das Grün von Westfalen. Nein, heimisch war ich hier lange nicht, sehr lange nicht.
Ich begann wieder zu arbeiten, die Kinder kamen in den Kindergarten, was auch ein Drama war. Ich war evangelisch, die Kinder auch, der nahe katholische Kindergarten nahm sie nicht auf. Mein Mann war katholisch, der evangelische Kindergarten, nahm sie nicht auf. Durch Bemühungen meines Chefs nahm sie schließlich der Kindergarten der AWO. Nicht lange danach war Kind Nummer drei in der Mache. In der Praxis, in der ich arbeitete, habe ich wieder viel dazu lernen können. Auch in der danach folgenden Praxis, immer eine neue Fachrichtung. Und so ging es weiter, ich schloss mich dem DRK wieder an, wurde Ausbilderin , lernte viele neue Leute kennen, Freundschaften waren es nicht.
Die Mentalität der Rheinländer blieb mir fremd. Ich startete mit einer Igelstation, viele Menschen kamen zu uns ins Haus. Es gab Kontakte, keine Freundschaften. Ein Kontakt war interessant, ein alter Herr war Wanderführer geworden, der im hohen Venn führen durfte. Es waren immer nette Gruppen die zusammen kamen, unter anderen ein Sohn vom ollen Adenauer, ein durch und durch bodenständiger Mensch , wie auch seine Frau. Im Gespräch meinte er: ,, Sie sind aber keine Kölsche!“,, ne, ich bin Westfälin durch und durch!“ sagte ich, da verriet er mir etwas, was ich nie vergesse., weil ich die Rheinländer auch so erlebt habe: Der Westfale hält, was der Rheinländer verspricht.
Ja, und nun sind wir schon so unendlich lange hier, haben uns in der Nachbarschaft warm gepupst. Kennen viele Menschen, nein, wirkliche Freunde haben wir hier nicht gefunden, aber durchaus nette Bekanntschaften gemacht. Heimat ist mir das Rheinland der Wohnort nie geworden, aber ein Zuhause, welches ich nicht mehr verlassen möchte. Da es in Westfalen keine Verwandten mehr gibt, sind dort auch keine Wurzeln mehr die mich auf Dauer dorthin ziehen würden. So gerne ich mal wieder die alten Wege dort gehe. Hier haben wir zwar keine Pfahlwurzeln in den Boden versenkt, aber Wurzeln geschlagen.
Unsere Kinder sind hier zuhause gewesen, haben ihre Kindheit, Jugend, hier erlebt, ihre Ausbildung hier genossen, ihre Freunde hier gefunden und nur einer ist hier geblieben, hat hier seine Frau gefunden, seine Kinder sind hier geboren. Hier ist für ihn Heimat geworden. Unseren Großen hat es nach Bayern verschlagen, wo er seine Familie gegründet hat. Unsere Tochter ist seit vielen Jahren Schweizer Staatsbürgerin, sie haben alle ihre Stammwurzeln verlassen und sich neu woanders gegründet. Ob sie mal über den Begriff Heimat nachdenken?
Meine Wurzeln liegen in Westfalen, dahin zieht es mich noch immer. Dorthin ziehen würde ich nicht mehr, und doch ist die alte Heimat auch zunehmend fremd geworden, die Stelle hier ist mir Zuhause geworden, als Heimat bezeichnen mag ich es noch immer nicht wirklich ehrlichen Herzens. Dabei bin ich durch meine Ausbildertätigkeit und die Igelstation und die Kinder hier so verwurzelt. Heimat ist was Anderes. Vielleicht empfinden Andere es völlig anders.
© Karin Oehl