Sidney und Tinka

Sidney und Tinka

Sidney war zuerst da – in der Single-Wohnung unseres Sohnes. Er sollte nicht allein bleiben und bald darauf kam Tinka dazu. Er war gefleckt, sie grau getigert. Beide waren noch sehr jung und lebten einige Jahre friedlich vor sich hin. Dann kam das, was kommen musste: Der Sohn zog wieder zu uns, natürlich mit den Katzen, die es nicht so leicht hatten, sich bei uns einzugewöhnen. Immerhin waren hier schon zwei Wurfgeschwister etabliert. Aber man arrangierte sich – immerhin war ja der vertraute Dosenöffner täglich verfügbar, die Hausbar ständig gut gefüllt und an Ansprache und Streicheleinheiten mangelte es nie.

Eines Tages jedoch verschwand ihr Dosi (der vertraute Dosenöffner) völlig aus dem Blickfeld: eine neue Liebe, ein neuer Wohnort, weit weg. Die Samtpfoten waren inzwischen schon etwas in die Jahre gekommen. Die Wurfgeschwister bildeten eine eingeschworene Gemeinschaft und das wurde den älteren Herrschaften jetzt doch etwas viel. Gelegentlich entlud sich der Protest in einer Pinkelorgie am falschen Platz. Im Großen und Ganzen aber begegnete man sich weiterhin respektvoll, wenn auch nicht unbedingt liebenswürdig; mit den Haushunden gab es eine Abmachung in der Weise, dass man sich gegenseitig nicht beachtete und aus dem Weg ging. Je älter Sidney und Tinka wurden, desto „gesprächiger“ und verschmuster wurden sie allerdings. Manchmal denke ich, die Katzen haben die Umstellung gar nicht richtig registriert. Sie blieben ein altes „Ehepaar“ bis zum Ende ihrer Tage – und das war noch lang hin.

Beide hatten das 2. Lebensjahrzehnt erreicht, als Tinka plötzlich offensichtlich krank wurde. Sie magerte ganz schnell ab, eine Diagnose gab es nicht. Sie begann zu husten und innerhalb weniger Stunden spuckte sie auch noch Blut. Ihr Zustand war so schlecht, dass sie sich nicht auf den Beinen halten und die Tierärztin sie schließlich nur noch erlösen konnte. Sidney wurde noch anhänglicher, aber es fiel ihm immer schwerer, seinen angestammten Platz neben dem männlichen Dosenöffner des Hauses zu erreichen, konnte er doch kaum noch auf seinen Stuhl springen. Krank war er jedoch nicht. Eines Tages kam er nicht zur morgendlichen Begrüßung, er hatte sich in seine Katzenhöhle verzogen und wollte nicht fressen, nicht trinken und auch nicht kuscheln. Zunächst ließen wir ihn in Ruhe, aber irgendwann holte ich ihn dann doch zu mir. Er ließ es geschehen, seine Vitalität und sein Gleichgewichtsgefühl hatten allerdings deutlich nachgelassen. Er schien seniler zu werden; das Katzenklo verfehlte er z.B. immer öfter. Die Tierärztin konnte immer noch nichts feststellen.

Dann mussten wir verreisen, was mir zu dem Zeitpunkt schwerfiel, denn ich habe gespürt, dass es Sidney nicht gut ging. Unser  2. Sohn hütete derweil das Haus. Als wir auf der Heimreise waren, rief er an und meinte, wir würden den Kater bei unserer Rückkehr kaum noch lebend vorfinden. Er läge nur noch in seinem Körbchen, wollte nicht fressen oder trinken. Ohne Pause fuhren wir nach Hause. Mit großen Augen schaute er mich an. Er kam nicht hoch. Krankenunterlagen verhinderten, dass er nass liegen musste. Aber er nahm von mir Wasser und Futter an. Einen Tierarzt konnten wir an dem Abend nicht mehr erreichen. Am anderen Morgen hatte sich sein Zustand offensichtlich so verschlechtert, dass seine Augen um Hilfe flehten. Mir hat es das Herz zerrissen. Ich packte meinen alten Katzenmann in sein Kuschelkörbchen, legte ihm eine Windel vor und sauste mit ihm zum Tierarzt. Dieser half – wie ich es erwartet hatte. Sidney schlief schnurrend in meiner Hand ein – für immer! Er ist 21 Jahre alt geworden.

Nein, wir wollten keine neuen Katzen, wir hatten ja noch zwei und die waren nun auch schon 12 oder 13 Jahre alt. Doch erstens kommt es anders – und zweitens, als man denkt. Mit einem neuen Jahr kam Kartoffelkäferchen Sammy zu uns. Was soll man tun, wenn ein etwa 4 Wochen altes Katerbaby aus einem Kartoffelfeld weit ab jeder Bebauung schreiend auf Menschen zuläuft? Auf ähnliche Art kam ein Jahr später unser Poco Paulchen dazu. Hoffentlich halten wir so lange durch, dass diese Tierchen, die uns so vertrauen und uns so viel Freude machen, niemals zu Wanderpokalen werden müssen.

Immer wieder erliegt man dem Charme von Samtpfoten, genau so wie dem von Hunden. Vor allem, wenn es Tiere mit erschreckenden Vorgeschichten sind …

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Karin Oehl

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