Blutgesang Kapitel 4 – Die Wüste

Endlose Weiten. Dünen bis an den Horizont. Und eine gleicht der anderen. Natürlich ist von unserem Führer nichts zu sehen. Selbst wenn er die Vereinbarung eingehalten hat, kann man wohl nicht von ihm erwarten, dass er einen ganzen Tag vor dem Lager seiner Todfeinde unserer harrt. Zumal eben jene mit uns reisen. Was sich, zugegebenermaßen, als äußerst praktische Angelegenheit erweist. Sie kennen nicht nur den Weg – dies allein ist schon ein wahrer Glücksfall – nein, ihnen sind sämtliche Wasserstellen auf unserem Weg durch die Wüste bekannt. Wirklich erstaunlich. Wie können Frauen, schlicht und einfältig wie ihr Geschlecht doch ist, soviel bei sich behalten? Und, was noch ungeheuerlicher wenn nicht gar unsittlich ist, warum wagen sie eine Reise, allein mit fünf fremden Männern, die für sie doch nichts weiter als – Was war das noch gleich, was ich aufgeschnappt habe? – als Wasserdiebe sind? Dieses Volk ist höchst erstaunlich, wenn nicht gar abartig.

 Wir reisen nur bei Nacht, bei Tagesanbruch suchen wir uns einen Rastplatz. Das haben unsere Begleiterinnen vorgeschlagen – zumindest behaupten sie dies, für mich klang es eher wie ein Befehl. Ich versuche mich von ihnen fern zu halten, denn sie sind mir nicht geheuer. Sie scheinen mich zu beobachten und tuscheln fortwährend miteinander. Und seit ich ihr unseliges Lager betrat, vernehme ich ein beständiges Summen, welches meine Sinne verwirrt. Meine Begleiter scheinen es nicht zu hören. Tagsüber vermag ich ob der Hitze nicht zu ruhen, nachts darf ich den Anschluss nicht verpassen. Wie sehr ich das Ende dieser Reise herbeisehne vermag ich gar nicht auszudrücken.

 Allmählich wird der Boden grüner, vereinzelt sind sogar schon Sträucher zu sehen. Meine Augen erblicken vertraute Gefilde. Die Zeit in der Wüste scheint endlich vorbei zu sein. Eine Ewigkeit unter der Sonne geht zu Ende. Einmal hat mich diese An’ja’li sogar vor einem Skorpion gerettet. Wahrlich, ich bin froh, nicht länger von diesen Wilden abhängig zu sein. Doch es liegt noch ein langer Weg vor uns. Ich liebe meine Heimat, besonders im Frühling – ein enormer Gegensatz zu jenem Ort, von dem wir kommen. Das sehen auch unsere Begleiterinnen so, sie können das Leuchten ihrer Augen ob des Grüns der Wiesen nicht verbergen. Die Bäume haben eine fast magische Anziehungskraft auf sie. Es scheint sie Unmengen an Kraft zu kosten, nicht zu lächeln. Schon wieder – oder noch immer – tratschen sie in ihrer seltsamen Sprache, die klingt wie ein Fluss. Man kann nicht einmal einzelne Worte ausmachen, alles klingt ewig wie die Wüste, in der sie leben.

 Es kostet mich zwar Überwindung, aber meine Neugier überwiegt. Ich reite zu den beiden Hexen und frage sie, warum sie denn in der Wüste leben, wenn es ihnen unsere Landschaft doch um so vieles besser gefällt. Lange und durchdringend starren die beiden mich an, als könnten sie auf den Grund meiner Seele blicken. Ich fühle mich plötzlich nackt und hilflos, habe das Bedürfnis, meinem Ross die Sporen zu geben, doch ich bin wie gelähmt. Mit einem Mal stellt mir An’ja’li eine Gegenfrage, wartet eine Antwort jedoch gar nicht erst ab und reitet mit ihrer Gefährtin zu den anderen, um von nun an zu schweigen.

 Selbst jetzt, zehn Tage später, da wir am Hofe Aldans angekommen sind, geht mir ihre Frage nicht aus dem Kopf, welche wie ein Vorwurf, wie ein Flehen klang. „Würden Euresgleichen uns denn dulden?“ Ich weiß es nicht. Verfluchte Hexen, fast hätten sie es geschafft, mich… zu verhexen… Seit wann dulden Gorlons Anhänger denn Hexen? Niemals! Wir verfolgen sie bis in die hintersten Ecken seines Reiches, welches beständig wächst, dann werden sie gerichtet und verbrannt. Oh, wie ihre Schreie eine grauenvolle Symphonie zu Ehren Gorlons singen, es ist herrlich! Eigentlich müssten unsere… Gäste… ihr Schicksal teilen, doch wir benötigen ihre Hilfe. Ich beneide unseren Herrscher Aldan nicht darum, diese Wilden um etwas bitten zu müssen.

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